Wasserstoff: Heilsbringer für die Mobilitätswende oder energetischer Irrweg?

Foto: OMV Aktiengesellschaft

Neben der Elektromobilität schwappt immer wieder das Thema Wasserstoff hoch. Ob er vielleicht die bessere Alternative zum rein elektrischen Antrieb ist, wollte ich – abseits von Halbwahrheiten und Fake-News genauer auf die Spur gehen. Der Wissenschaftler und Leiter des Instituts für Energiesysteme und Elektrische Antriebe, Prof. Manfred Schrödl, sollte mir dazu Fakten liefern – und er hat dazu eine klare Meinung.

Interview mit Prof. Schrödl von der Technischen Universität Wien

Wie viel Energie ist im Wasserstoff eigentlich gespeichert?

Aus der Physik ist bekannt, dass Wasserstoff (H2) 33 kWh Energieinhalt pro kg hat. Ein Teil davon kann man in mechanische Energie umwanden, ein Teil geht in Wärme über. Elektrischen Strom hingegen können Sie zu 100% in Mechanik umwandeln.

Wie hoch ist der Wirkungsgrad von Wasserstoff, wie hoch sind die realen Energieverluste?

Gehen wir von 100 kWh elektrischer Energie aus, die aus grünem Strom kommt. Mit diesem Strom wird im Elektrolyseur Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Der Wirkungsgrad liegt hier bei max. 80%, also mind. 20% Energieverlust.

Aus der Elektrolyse kommt Wasserstoff mit bis zu 35 bar heraus. Nun muss er transportiert und mittels strombetriebenen Kompressoren stark verdichtet werden, dabei gehen wieder 20% verloren.

An der Zapfsäule wird Wasserstoff dann mit 700 bar getankt. Von anfangs 100 kWh Strom sind nur mehr 64 kWh über. In der Brennstoffzelle des H2-Autos wird Wasserstoff wieder in Strom zurückverwandelt. Auf 100 km braucht der Toyota Mirai ungefähr 1 kg Wasserstoff, was 33 kWh Energie entspricht. Das Problem ist, dass die Brennstoffzelle einen Wirkungsgrad von nur 50 % hat, der Rest geht als Wärme verloren. Also bleiben 17 kWh, abzgl. 90% Wirkungsgrad vom E-Motor nur mehr 15 kWh.

Von was für einem Wirkungsgrad sprechen wir also bei Wasserstoffautos, betrachtet man den gesamten Zyklus – von der Energieherstellung bis zur Energie, die bei den Rädern ankommt? Welchen Wirkungsgrad erreichen wir beim Batterie-elektrischen Fahrzeug, vorausgesetzt es wird mit grünem Strom betrieben?

Durch die vielen chemischen Wandlungsstufen kommen wir bei Wasserstofffahrzeugen auf einen Wirkungsgrad von nur 29%. Bei Batteriefahrzeugen liegt der Wirkungsgrad hingegen bei 69%.

Was wäre effizienter, als die Wasserstoffautos mit dem Wasserstoff zu betreiben, der CO2-frei direkt aus Wind- oder Sonnenkraft hergestellt wird?

Effizienter wäre es, den Wasserstoff in einer stationären Brennstoffzelle rückzuverstromen und die dabei entstehenden 50% Wärme ins Fernwärmenetz einzuspeisen. Die 50% vom erzeugten Strom könnte man für batterieelektrische Autos verwenden und würde damit weiter fahren, als wenn der Wasserstoff direkt ins Brennstoffzellen-Auto eingespeist werden würde. Dort verpufft die Verlustwärme nur ungenutzt.

Wenn man alle 5 Mio. Autos in Österreich auf Elektroantrieb umstellen würde, bräuchte man ungefähr 27 TWh (Terawatt-Std.) zusätzliche Energie. Wie würde die Rechnung mit 5 Mio. Wasserstoffautos aussehen, um CO2-frei zu werden?

Bei Wasserstoffautos wären wegen dem schlechten Wirkungsgrad 2,4 mal so viel Energie – also 66 TWh zusätzlich notwendig. Die 27 TWh bei den Elektroautos sind konservativ gerechnet, evtl. ist es sogar mit 20 TWh möglich.

Sehen Sie für Wasserstoff trotzdem eine Zukunft? Wenn ja, in welchem Bereich?

Ich halte Wasserstoff für einen ganz entscheidenen Energieträger für die Zukunft. Er ist eigentlich der einzige chemische Energiespeicher, um Überschüsse aus Photovoltaik und Windkraft vom Sommer in den Winter zu transportieren.

Bei Pkws sehe ich im Moment keine Perspektive. Einerseits wegen dem schlechten Wirkungsgrad, andererseits sind H2-Autos nicht leistbar. Der Toyota Mirai kostet € 78.000,-. Beim LkW warte ich ab. Wird Nikola Motors (H2-Lkw) oder Teslas Semi (rein elektrischer Truck) gewinnen?

Welche Risiken sehen Sie global beim Thema Wasserstoff-Mobilität?

Der Energiebedarf wäre mehr als doppelt so hoch wie beim Umstieg zur Elektromobilität.

In 20 Jahren kommt vielleicht per Gesetz eine Energiesparverordnung, die Folgendes vorschreibt: Alle Pkws dürfen nicht mehr als 20 kWh Energie auf 100 Kilometern verbrauchen. Dann können Sie alle Wasserstofffahrzeuge vergessen.

Ihre Berechnungen beziehen sich immer wieder auf die „Mission 2030“. Um was geht es dabei?

Im Papier der letzten Bundesregierung „Mission 2030“ ist als Mobilitäts-Ziel eine Reduktion der CO2-Emissionen um 1/3 bis 2030 festgeschrieben.

Dazu bedarf es bei der erneuerbaren Stromerzeugung zusätzliche 30 TWh. Zum Einsparen fossiler Stromgewinnung sind davon alleine 20 TWh nötig. 9 TWh braucht man, um ein Drittel der Fahrzeuge auf Elektromobilität umzustellen.

Bei Wasserkraft bräuchten wir dazu jedes Jahr bis 2030 sechs neue Kraftwerke (Größe Graz-Mur). Weiters jährlich 125 neue Windräder plus 150.000 Photovoltaik-Anlagen.

Wenn Sie die Mobilitätswende mit Wasserstoff aufziehen, brauchen Sie 22 TWh, also 40 Murkraftwerke und 1.000 Windräder nur für die Wasserstofffahrzeuge. Das ist nicht zu schaffen.

Warum setzen Ihrer Meinung nach Mineralöl- und einige Automobilkonzerne auf Wasserstoff als Treibstoff der Zukunft?

Um ihr Geschäftsmodell zu retten. Jeder Private hat es in der Hand, den Strom für Elektroautos selbst zu erzeugen und zu Hause zu laden. Mit einer Wasserstoffinfrastruktur sind Sie wieder abhängig, da Sie sich zu Hause keine Wasserstofftankstelle hinstellen können.

Elektroauto-Skeptiker behaupten, die Herstellung eines Elektroautos sei viel energieintensiver als Verbrennerfahrzeuge zu bauen und die Akkus wären schwer zu recyceln. Stimmt das?

Der Energieaufwand bei der Batterieherstellung kostet zwar viel Strom. Entscheidend ist jedoch, ob dieser mit Wasser- oder Windkraft oder mit Kohle erzeugt wird. Die Batterieherstellung müsste also mit Ökostrom vorgenommen werden, dann wäre diese CO2-neutral.

Lithium ist derzeit so billig, dass es sich wirtschaftlich nicht lohnt, es aus den Akkus zurückzugewinnen. Es gibt aber die Technologie. Wenn man will, kann man wie bei Bleibatterien, auch zu annähernd 100% recyceln.

Politiker und Automobilkonzerne sind besonders gefordert, um künftig den CO2-Ausstoß zu reduzieren und um Strafzahlungen in Milliarden-Höhen zu entgehen. Wie sehen Sie das?

Im österreichischen Energieeffizienz-Gesetz von 2014 steht:
„Der Bund hat dafür zu sorgen, dass der Endenergieverbrauch eingedämmt wird.“

Nehmen wir € 500 Mio. an, die im Zusammenhang mit einer Wasserstoff-Initiative gefallen sind. Wenn der Staat stattdessen 2020 und im Folgejahr jeweils € 250 Mio. als Investitionsförderung  für Photovoltaik-Anlagen verwenden würde, könnte man 2 TWh grünen Strom pro Jahr generieren. Statt dessen eine H2-Mobilitäts-Initiative zu starten, die bis 2030 nichts bringt, halte ich für falsch.

Was würden Sie den Automobilherstellern für die Zukunft empfehlen?

Sie sollen sich VW als Beispiel nehmen. Die haben dem Wasserstoff eine Abfuhr erteilt und bringen ab kommendem Jahr bezahlbare Elektroautos auf den Markt.

Bei der Anschaffung eines geförderten E-Autos sollte eine Förderung an eine Ökostromversorgung (Errichtung einer PV-Anlage, Ökostrom-Vertrag) gekoppelt werden.

Was ist Ihre Schlussfolgerung?

Prof. Schrödl und Volker Adamietz
Prof. Schrödl und Volker Adamietz

Elektromobilität auf Basis von Batteriefahrzeugen ist in Kombination mit zügigem Ausbau regenerativer Energie machbar und spart viel CO2. Wasserstoff ist ein wichtiges Forschungsthema für Langzeitspeicherung, nicht aber für großflächige Mobilität.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Volker Adamietz von Elektroautor.com für Zimmerstunde.at

 

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2 Kommentare zu „Wasserstoff: Heilsbringer für die Mobilitätswende oder energetischer Irrweg?“

  1. Hallo Volker.

    hervorragender Bericht. Ganz besonders dann, wenn man vorsichtig ist und Freunde hat, die derzeit die Wasserstoff-Mobilität als den „Burner“ der Zukunft an den Börsen sehen. Ich bin skeptisch, bleibe skeptisch und freue mich, so viel aus dem Artikel dazugelernt zu haben.

    DANKESCHÖN.

    Beste Grüße ins schöne Österreich
    Peter

    1. Vielen Dank für das positive Feedback. Es war mir auch ein Anliegen – mit dem Interview – die Vermutungen vieler Elektroauto-Fahrer – physikalisch zu untermauern.

      Prof. Schrödl hatte auch einen guten Ratschlag:

      Wichtig für die Meinungsbildung zum Thema Elektromobilität ist, die Dinge einerseits aus der Sicht der Physik zu betrachten (Strom, Batterie, Elektromotor hat einfach den höchsten Wirkungsgrad) und das Ganze dann mit einer Portion Hausverstand zu würzen. Dann wird man auch nicht mehr auf das Thema Wasserstoff bei Elektroautos setzen.

      Bitte – gerne den Bericht teilen. 😉

      Emobile Grüße,
      Volker

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